1.6.2020

Wir würden besser mit Strom heizen als fahren!

Übrigens
Auch im Grossen Rat tagen wir coronabedingt aktuell im Bern Expo Gelände.

Auch wir Berner Grossräte tagen nach Pfingsten coronabedingt gleichzeitig wie das Bundesparlament im Bern Expo Gelände. Zusatzkosten zu einer normalen Session: Mindestens 600'000 Franken. Ein Blick aufs Programm zeigt, dass die Themen nicht viel anders sind als vor Corona. Dazu gehören zum wiederholten Mal widersinnige und widersprüchliche Vorstösse im Bereich Energiepolitik.

Eigentlich würde schon nur ein wenig gesunder Menschenverstand ausreichen um zu verstehen, dass unsere aktuelle Energiepolitik in weiten Teilen einfach nur bescheuert, widersprüchlich und oft sogar kontraproduktiv ist.

Vorstösse für Elektroautos sind "in"!

Beispielhaft zeigt dies der Umgang mit der elektrischen Energie. Praktisch in jeder Session des Grossen Rates behandeln wir Vorstösse, welche die sogenannte E-Mobilität fördern wollen. Aktuell fordern zwei - übrigens freisinnige - Grossratskollegen eine "Elektrobus-Strategie".

Das tönt auf den ersten Blick gut. Wirklich neu sind Elektrobusse aber überhaupt nicht. In zahlreichen Schweizer Städten fahren seit bald 100 Jahren mit Oberleitungen betriebene Trolleybusse. Und die funktionieren gut. Doch die Motionäre wollen nicht etwa mehr Trolleybusse. Nein, ihnen schweben batteriebetriebene Elektrobusse vor. Busse also, die mit sauschweren Batterien herumfahren, welche dann doch nur eine Reichweite von 150 bis maximal 300 km haben. Ein ökonomischer und betrieblicher Blödsinn also.

Elektrische Energie stammt in vielen Ländern aus Kohlekraftwerken. Wenn wir vermehrt Strom importieren, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass er auch aus solchen Dreckschleudern stammt.
E-Busse sind keine Antwort auf das Erdöl!

Ich will aber gar nicht weiter auf die technischen Probleme und schon gar nicht auf die exorbitanten Kosten einer solchen Forderung eingehen. Viel interessanter ist die Begründung, warum man jetzt auf einmal auf E-Busse setzen soll: "Elektrobusse sind die Antwort auf die Forderung nach Dekarbonisierung." Mmmh. Schön. Tönt gut. Ist es aber nicht.

Aus meiner Sicht gibt es drei Gründe, warum diese Forderungen nach mehr E-Mobilität nicht zielführend sind:

  1. "Dekarbonisierung" heisst ja nichts anderes, als von fossilen Treibstoffen und Brennstoffen wegzukommen. Ein ehrbares Ziel, könnte man meinen. Aber dabei werden Äpfel mit Birnen verglichen. Denn im Gegensatz zu Erdöl kommt Elektrizität nicht als Rohstoff vor. Elektrizität basiert immer auf anderen Energieträgern. Je nach Energiemix eines Landes reichen diese von Wasserkraft, Windenergie, Photovoltaik bis hin zu Kernenergie, Kohle - oder wieder Erdöl!

    In unserem nördlichen Nachbarland Deutschland und auch in vielen anderen Ländern ist Elektrische Energie zum grössten Teil nichts anderes als fossile Energie. In Frankreich wiederum versteckt sich hinter der elektrischen Energie grösstenteils Kernenergie.

    In der Schweiz ist das ja alles anders, oder doch nicht? Ja, es stimmt: Bei uns kommt nur ein geringer Teil der Elektrizität aus fossilen Energieträgern. Aber doch nach wie vor ein erheblicher - rund 40 Prozent - aus Kernenergie. Ein vermehrter Einsatz von Batteriebussen ist also auch ein vermehrter Einsatz von Kernenergie. Und die wird ja abwechslungsweise mit der fossilen Energie von Rot-Grün plus Verbündeten wie diese ebenso verteufelt.
  2. Ein stärkerer Verbrauch von elektrischer Energie im Verkehr führt logischerweise zu einem Anstieg des Verbrauchs an elektrischer Energie. Das bedeutet aber auch, dass der Anteil der erneuerbaren Energie am Energiemix tendenziell sinkt. Es besteht also die Gefahr, dass die E-Busse zu verstärkten Importen von Strom aus deutschen Kohle- oder französischen Kernkraftwerken führt. Das wäre also ein klassischer Schwanzbeisser.
  3. Und abschliessend ist noch ein Punkt zu nennen, der in dem Zusammenhang völlig widersprüchlich ist: Während die elektrische Energie bei Elektrofahrzeugen auf Teufel komm raus gefördert werden soll, wurde die Elektrizität zum Heizen verboten. Wurden Elektroheizungen noch vor wenigen Jahren als CO2-arme Alternative angepriesen, ist der Neueinbau dieser Heizungen spätestens seit der Umsetzung der Mustervorschriften 2008 in allen Kantonen verboten. Im Kanton Bern müssen gemäss Kantonalem Energiegesetz von 2012 bestehende Elektroheizungen bis Ende 2031 ersetzt werden!

    Dabei wäre es vermutlich aus diversen Gründen sinnvoller, elektrische Energie aus unregelmässig anfallenden erneubaren Photovoltaik- oder Windkraftwerken in Elektroheizungen zu speichern, als schwere Akkus in Fahrzeugen damit aufzuladen. Elektrospeicherheizungen könnten anfallende Produktionsspitzen flexibel aufnehmen und die Energie über längere Zeit speichern. Man würde also vermutlich besser mit Strom heizen als mit Strom fahren!
Autor: Samuel Krähenbühl