Eine politische Bombe platzte dieses Wochenende. Die «Schweiz am Wochenende» hatte berichtet, Bersets früherer Kommunikationschef Peter Lauener habe Ringier wiederholt vertrauliche Informationen zu geplanten Covid-Massnahmen des Bundesrats übermittelt.
Die Zeitung stützt sich nach eigenen Angaben auf E-Mails und Einvernahmeprotokolle, die der Redaktion vorliegen. Ein Sonderermittler hat ein Verfahren eingeleitet gegen Bersets Ex-Kommunikationschef als Verdächtigten.
Dass die grossen Medienhäuser und hier vor allem auch der "Blick" während der Corona-Zeit auffällig oft sehr gut über anstehende Bundesratsentscheide informiert waren, wusste man schon lange. Auch war ja bekannt, dass Sonderermmittler Peter Marti Bersets Ex-Kommunikationschef Lauener in Untersuchungshaft genommen hatte.
Doch die nun offenbar vorliegenden Dokumente scheinen den Sachverhalt des Amtsgeheimnisverrats aus dem Departement Berset zu untermauern. Dazu kommt, dass es ja nicht nur um den mutmasslichen Straftatbestand der Amtsgeheimnisverletzung geht. Nein, das Problem geht ja noch weiter: Das Departement Berset hat damit natürlich mutmasslich auch Bundesratsentscheide manipuliert. Dies, indem durch die Vorab-Indiskretionen Bersets Bundesratskollegen unter Druck gesetzt wurden und somit beispielsweise Corona-Massnahmen gegen Restaurants beschlossen wurden, welche vielleicht sonst nicht zustande gekommen wären.
Die spannende Frage ist nun, ob Alain Berset auch diesen Skandal übersteht und im Bundesrat verbleiben kann? Zur Erinnerung: Berset hat bereits mehrere Skandale überlebt, welche bei anderen Bundesräten längstens zum Rücktritt gereicht hätten. Eine gute Zusammenstellung ist hier auf Watson zu finden. Zur Erinnerung: Bundesrätin Elisabeth Kopp musste damals wegen einem harmlosen Telefonanruf an ihren Mann zurücktreten.
Juristisch wird es trotz mutmasslich schweren Vergehen von Bersets Leuten (es gilt die Unschuldsvermutung) schwierig sein, den Gesundheitsminister selber zu belangen. Deshalb lenkt der schlaue Fuchs nun offensichtlich die Öffentlichkeit genau auf diese Schiene. In ersten Verlautbarungen kritisiert er Ausbringen der vertraulichen Informationen aus dem Strafverfahren. Rein formal hat er damit sogar recht. Auch das ist eine mutmassliche Straftat.
Aber auch sonst werden die Strafverfahren gegen Bundesrat Berset wohl keinen durchschlagenden Erfolg bringen. Zum einen dauern Strafverfahren erfahrungsgemäss bis zu einer Verurteilung sehr lange. Und zum anderen bezweifle ich, dass man dem Magistraten überhaupt eine konkrete Straftat nachweisen kann. Er wird schon schlau genug gewesen sein, dem "Blick" nie direkt geheime Informationen gesteckt zu haben. Dies hat mutmasslich sein ehemaliger Kommunikationschef Peter Lauener für ihn erledigt. Auch in Protokollen oder anderen Dokumenten dürften sich keine Spuren finden, mit denen Berset direkt juristisch belangt werden kann.
Viel wichtiger ist deshalb die Untersuchung durch die Geschäftsprüfungskommissionen des National- und Ständerates sowie eventuell durch eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK). Denn eine politische Verantwortung dürfte viel eher nachweisbar zu sein. Und zwar aus folgenden Gründen:
Fazit: Die entscheidende Rolle für die Aufklärung dieses Falls haben nicht die Strafbehörden, sondern die parlamentarischen Gremien, also konkret die Geschäftsprüfungskommission. Diese muss sich von Berset vor allem erklären lassen, warum er trotz enger Zusammenarbeit mit Lauener nichts von der Zusammenarbeit mit dem Blick gemerkt haben will und warum er nichts gegen diese systematischen Straftaten unternommen hat. Meiner Meinung nach hat er hier kaum einen Ausweg. Denn entweder war er eben wirklich selber in die Vorgänge involviert. Oder dann müsste man ihm den Vorwurf machen, seinen Laden nicht im Griff gehabt zu haben. Es dürfte also vorab auf die Hartnäckigkeit der GPK ankommen, ob Berset vorzeitig als Bundesrat zurücktreten muss oder nicht.