Die seit Jahren steigenden Kosten im Bereich Sozialhilfe sind problematisch. Das bestreitet auch nach dem Scheitern beider Sozialhilfevorlagen am 19. Mai 2019 kaum jemand. Das wohl grösste Problem auf allen Ebenen sind die fehlenden Anreize. Die Anreize fehlen zum einen für die Sozialhilfeempfänger, aber sie fehlen nach dem faktischen Scheitern des Bonus-Malus-Systems aufgrund von Gerichtsurteilen auch bei den Gemeinden als Vollzieherinnen der Sozialhilfedienstleistungen.
Um zu verstehen, was damit gemeint ist, muss man zunächst verstehen, wie die Sozialhilfe organisiert und finanziert wird. Grundsätzlich sind die Gemeinden, beziehungsweise jeweils mehrere zu grösseren Sozialdiensten verbundene Gemeinden zuständig für die Ausrichtung der Sozialhilfe. Sie stellen die Sozialarbeiter an, vollziehen die Wiedereingliederungsmassnahmen usw. Nur einen ganz kleinen Teil der Kosten bezahlen die Gemeinden aber selber und direkt. Das sind die sogenannt nicht-lastenausgleichberechtigten Kosten, namentlich für die Infrastruktur wie etwa die Büromöbel.
Homberg mit 0 Prozent bezahlt genau gleich viel wie Biel mit 13 Prozent Sozialfällen.
Der grösste Teil der Kosten aber kann über einen sogenannten Lastenausgleich auf den Kanton und die anderen Gemeinden überwälzt werden. Der Kanton bezahlt danach 50 Prozent der Kosten aus dem Staatshaushalt. Die andere Hälfte wird pro Kopf auf die übrige Bevölkerung aufgeteilt. Jede Gemeinde bezahlt also pro Einwohner genau gleich viel. Unabhängig davon, ob sie 13 Prozent Sozialfälle hat wie die Stadt Biel oder gar keine. Ja, es gibt tatsächlich Gemeinden im Kanton Bern, in denen überhaupt niemand Sozialhilfe bezieht. Aber auch diese Gemeinden müssen ans System zahlen. Das war in den letzten Jahren beispielsweise in der Gemeinde Homberg der Fall.
Das ist nicht per se falsch. Ein solidarisches System hat Vorteile. Es kann auch eine kleine Gemeinde nämlich mal hart treffen, dass sie auf einmal hohe Kosten hat. Das Problem aber ist, dass die Gemeinden nach dem Scheitern des früheren, zu komplizierten und rechtlich nicht solid abgestützten Bonus-Malus-Systems nun eigentlich überhaupt keinen Anreiz mehr haben, ihre Dienstleistungen im Sozialhilfebereich effizient und günstig zu erbringen.
Genau das wollen meine Wenigkeit sowie meine Mitmotionäre Barbara Mühlheim (Bern, glp), Hanspeter Kohler (Spiegel b. Bern, FDP), Daniel Bichsel (Zollikofen, SVP) und Peter Gerber (Schüpfen, BDP) mit einer Motion ändern. Deren Titel lautet "Selbstbehalt setzt wirksame Anreize bei der wirtschaftlichen Sozialhilfe". Mit der Einführung eines Selbstbehalts könnten bei den Gemeinden und ihren Sozialdiensten auf einfache Art Anreize gesetzt werden, damit auch sie auf die möglichst schnelle Wiedereingliederung ihrer Klienten hinarbeiten wollen. Sozialdienste, die bewusst etwas grosszügiger sind, könnten dies auch weiterhin sein, müssten aber zumindest einen Teil der von ihnen verursachten Kosten mittragen. Und wer sich halt den einen oder anderen Luxus erlauben will, muss selber daran bezahlen.
Auch bei Schulen gibt es schon heute einen Selbstbehalt.
Das ist ja beim heutigen System, bei dem alle Gemeinden immer gleich viel pro Kopf bezahlen, unabhängig davon, wie sie arbeiten, nicht der Fall. Und übrigens wäre ein solches System auch nicht ein Einzelfall. Bei den Schulen besteht schon seit geraumer Zeit ein ähnliches System. Dank diesem System werden die Schulen durch die Gemeinden heute in effizienteren Strukturen geführt.
Erfreulicherweise sieht nun auch der Regierungsrat das Effizienzsteigerungspotenzial eines solchen Systems und empfiehlt unsere Motion zur Annahme. Sie wird in der kommenden Septembersession zur Abstimmung kommen. Ich hoffe natürlich sehr, dass wir eine Mehrheit dafür zu Stande bringen. Denn irgendwie müssen wir den Teufelskreis steigender Kosten endlich mal durchbrechen.