2.5.2020

Experten dürfen nicht regieren!

Gesellschaft
Der Bundesrat und in seinem Schlepptau die Kantonsregierungen haben im aktuellen Vollmachtenregime fast diktatorische Gewalt in ihren Händen.

Nächste Woche trifft sich das eidgenössische Parlament zum ersten Mal seit dem Corona-Lockdown. Bei uns im Grossen Rat des Kantons Bern dauert es sogar noch einen Monat, bis wir wieder tagen. In den Wochen seit Mitte März haben nur wenige Kommissionen oder gar nur Ausschüsse getagt - meist über Videokonferenzen.

Die Regierungen auf nationaler, aber auch auf kantonaler Ebene haben das Szepter in der Hand. Sie fassen weitreichende Entscheide, welche manchmal mehr, manchmal weniger nachvollziehbar und begründbar sind. Wir gewählten Parlamentarier hingegen sind weitgehend zur Unttätigkeit verdammt.

Wir Grossräte können nicht mitentscheiden, ja, sind oft nicht einmal informiert.

Dabei gelangen doch immer wieder Bürger oder Gemeindepolitiker an uns, wollen Auskünfte von uns oder hoffen, dass wir irgendwie Einfluss zu ihren Gunsten nehmen können. Es ist dabei sehr mühsam, wenn wir Grossräte nicht nur nichts entscheiden dürfen, sondern oft nicht einmal recht im Bild sind, was etwa der Berner Regierungsrat entscheidet.

Sehr oft werden in dem Zusammenhang die Experten bemüht. Diese müssten nun den Lead haben, wird gebetsmühlenartig betont. Es gehe um Leben und Tod, da habe es keinen Platz für uns Politiker, welche ja nichts davon verstünden. Diese Haltung vertreten natürlich selbstverständlich die Experten, welche von den Regierungen gehört werden, selber. Dann natürlich die Regierungen. Und nicht wenige gewählte Parlamentarier, wobei hier vor allem die Linken. Klammerbemerkung: Das sind die gleichen linken Parlamentarier, von denen kein einziger Kernphysik studiert hat, die aber trotzdem meinen, besser als jeder noch so unabhängige Experte Bescheid über Kernenergie zu wissen.

Das buchstäbliche Totschlagargument "Leben oder Tod" mag ich nicht mehr hören. Oder habt ihr all die Horrorszenarien, welche vor Wochen von vielen sogenannten Experten herumgeboten wurden, schon vergessen? Demnach läge jetzt die halbe Schweizer Bevölkerung mit hohem Fieber im Bett, während Lastwagen Tag und Nacht die frisch Verstorbenen in Kühlhäuser bringen würden, wo sie tagelang auf die Verbrennung in den hoffnungslos überlasteten Krematorien warten würden.

Mein Urgrossvater ist an der Spanischen Grippe gestorben, aber Corona ist nicht die Spanische Grippe!

Ich will die Krankheit COVID-19 nicht lächerlich machen. Mein Urgrossvater ist 1918 noch ziemlich jung an der Spanischen Grippe verstorben und hat eine Familie mit sechs kleinen Kindern hinterlassen. Eines davon war meine Grossmutter. Ich hab deshalb im März auch gesagt, dass man die Massnahmen mittragen soll.

Corona ist aber eben nicht die Spanische Grippe. Diese hat damals reihenweise noch recht junge Menschen wie meinen Urgrossvater selig dahingerafft. COVID-19 tut aber genau das nicht. Das wissen wir heute. Es sterben vorwiegend alte bis sehr alte Menschen daran. Noch vor wenigen Wochen haben aber Experten genau das Gegenteil behauptet. Corona sei 10 Mal schlimmer als die Spanische Grippe, zitierte die Boulevard-Zeitung Blick am 17. März einen Virologen. Trotz  der Tatsache, dass dies eindeutig falsch ist, beschwören die Experten noch immer neue Horrorszenarien hoch. Aktuell ist es vor allem die befürchtete 2. Welle.

Ich nehme es den Experten - unter denen es übrigens aber auch verschiedene Meinungen gibt - nicht übel, dass sie sich so verhalten. Wissenschaftler denken in Modellen und Szenarien. Natürlich ist es so, dass sie hierbei auch extreme, wenn auch weniger wahrscheinliche, Szenarien, darlegen. Und natürlich warnen sie genau auch vor deren Gefahren. Das ist auch ihr Job.

Experten denken in Extremszenarien. Politiker müssen abwägen.

Aber es ist ebenso falsch, wenn gewählte Politiker die Prognosen und Szenarien der Experten als absolute Handlungsanweisungen nehmen. Denn im Gegensatz zu den Fachexperten ist es Aufgabe der Politiker, abzuwägen. Abzuwägen zwischen verschiedenen Gefahren, Problemen und Kosten in den verschiedensten Gebieten der Politik.

Kein Virologe, der vor einer 2. Welle warnt, übernimmt Verantwortung, für die psychischen Folgeschäden gerade auch in der gefährdeten Gruppe der älteren Menschen mit Vorerkrankungen. Kein Epidemologe übernimmt die Verantwortung für die enormen Ausgaben der öffentlichen Hand und die riesigen Folgeschäden in der Wirtschaft.

Diese Verantwortung tragen die gewählten Politiker. Und zwar eben nicht nur der Regierungen, sondern auch der Parlamente. Denn die Gefahr besteht, dass die Regierungen unter dem Deckmantel ihrer momentan absoluten Macht auch Dinge beschliessen, welche eigentlich nicht mit den Notwendigkeiten des Kampfes gegen Corona zu begründen sind.

Absage der Maturaprüfung im Kanton Bern war unnötig!

Ein Paradebeispiel dafür ist die unnötige Absage der Lehrabschluss- und Maturitätsprüfungen. Diese könnten eigentlich aus Sicht der Experten des Bundes problemlos durchgeführt werden. Aber die rot-grünen Erziehungsdirektoren, welche ohnehin gerne Prüfungen und Proben eindämmen oder gar abschaffen würden, haben den Braten gerochen. Nun werden beispielsweise im Kanton Bern deswegen keine Maturitätsprüfungen durchgeführt.

Schliesslich geht es dann auch darum, die Rahmenbedingungen für den Wiederaufbau nach dem Lock-Down zu gestalten. Und genau hier müssen wir gewählten Parlamentarier eingreifen und wieder die Verantwortung übernehmen. Dafür sind wir gewählt. Wir haben die Verantwortung gegenüber dem Volk.

Autor: Samuel Krähenbühl