21.3.2020

Onkelpflichten im Corona-Zeitalter

Bildung
Das Kindergartenkind "Schnupfi" und die Drittklässlerin "Soraya" bei ihren Aufgaben.

Um es gleich vorneweg zu nehmen: Ich finde es wichtig, die Anordnungen des Bundesrates zu befolgen. Ob sie richtig waren, zu weit oder gar zu wenig weit gingen, darüber kann man dann im Nachhinein diskutieren. Gerade, wenn sie allenfalls zu weit gegangen sein sollten: Wer würde die Verantwortung übernehmen, wenn Menschen in unseren Spitälern sterben würden, nur weil diese zu wenig Kapazitäten und übermüdetes Personal hätten?

Trotzdem ist es nicht einfach, bei diesem schönen Wetter zu Hause oder zumindest im eigenen Garten zu bleiben. Gerade für Familien. Denn seit einer Woche sind die Kinder nun zu Hause. Zu Besuch bei meiner Schwester und ihrer Familie erlebe ich, dass diese Situation nicht gerade einfach ist.

Schulen haben es gut gemacht.

Zwar haben die Schulen die Kinder in Rekordzeit wirklich gut ausgerüstet und instruiert. Aufgaben hätten diese genügend. Doch ganz so einfach ist es nicht, sie zum Lernen zu motivieren. Da ist zum einen die Verunsicherung wegen der allgegenwärtigen Corona-Diskussion, welche namentlich mein Göttikind, die im Herbst 13 wird, doch merklich belastet. Und es ist zum anderen der grosse Bewegungsdrang, der die drei Mädchen kaum drinnen hält. Oder ist es vielleicht auch die Tatsache, dass in vielen Schulen mit dem Lehrplan 21 keine Hausaufgaben mehr gegeben werden und die Kinder deshalb nicht mehr wissen, wie es ist, zu Hause zu lernen?

Meine Schwester, selber erfahrene Lehrerin, gerät da zuweilen an ihre Grenzen. Namentlich, da es ja nicht nur ums Unterrichten der eigenen Töchter geht, sondern auch darum, diese rund um die Uhr zu hüten. Gerade wenn wie letzte Woche in ihrer Nachbarschaft zahlreiche Erwachsene auf der Strasse zusammen herumstehen und deren Kinder rings herum spielen. Auch heute Samstagnachmittag sind noch immer zahlreiche Kinder zusammen draussen am Spielen. Das registrieren natürlich meine Nichten.

"Aurelia" ist in der 6. Klasse. Die Benutzung ihres Chromebooks stellt sie und ihre Eltern vor Herausforderungen.
Schwierige Zeiten für Teenie-Kinder und deren Eltern.

Meine Schwester ist nach längeren Diskussionen mit ihrer Teenie-Tochter Aurelia (ich nenne sie nach ihrem Kaninchen) mit den Nerven langsam, aber sicher am Ende. Aurelia hat von der Schule ein Chrome-Book nach Hause mitbekommen - und ist nun vor allem am Spielen und mit ihren Klassenkameradinnen am Chatten.

Deshalb hab ich nun am Samstag mal die Aufgabe übernommen, mit den drei Ladies zu lernen. Die bald 13-jährige Aurelia sollte ein Plakat zur Klimaerwärmung machen. Ein Thema, das auf einmal wie aus einer vergangenen Zeit fast wie ein Fremdkörper erscheint.

Die bald 10-jährige Soraya - der Name ist ebenfalls von ihrem Kaninchen abgeleitet - soll Französisch lernen. Ja, liebe Grossratskollegen: Trotz meiner bekanntermassen kritischen Haltung gegen "Mille feuilles" sage ich kein Wort, sondern versuche sie von der Wichtigkeit des Französischunterrichts zu überzeugen. Und auch die bald 7-jährige "Schnupfi" - so heisst ihr Kaninchen - muss für den Kindergarten arbeiten. Sie muss aus Reihen von Smileys die jeweils gleichen identifizieren.

Die Sechsjährige mit ihrem "Schnupfi".
Die Isolation ist nicht einfach.

Und - nach längerem Kampf und Widerstand - hab ich sie tatsächlich so weit, dass sie alle mehr oder weniger fleissig am Arbeiten sind. Aber einfach ist es nicht. Und vor allem stellt sich für mich die Frage, wie lange es überhaupt möglich sein wird, die Kinder so zu Hause zu behalten. Ohne Kontakt mit anderen Kindern. Ohne die Möglichkeit, mal von Hause zu gehen.

Deshalb hoffe ich nun doch sehr, dass all die Mitmenschen, welche sich noch immer nicht zu Hause stillhalten können, mal an die vielen Schulkinder denken, welche wie meine Nichten quasi eingesperrt sind. Viele Familien haben nicht mal einen Garten. Deshalb habe ich kein Verständnis dafür, dass namentlich Senioren, welche am Gefährdetsten sind, sich teilweise überhaupt nicht an die Regeln halten.

Senioren, bleibt zu Hause!

Ich will auch nicht einfach ein Bashing gegen ältere Menschen ablassen. Aber wenn man bedenkt, wie viele kreative und gute Dienstleistungen für Hauslieferung bereits angeboten werden, dann fehlt mir das Verständnis, wenn die Seniorinnen und Senioren nach wie vor hordenweise in die Supermärkte gehen. Denn ewig wird es nicht möglich sein, Kinder und Jugendliche quasi einzusperren. Deshalb ist es auch gerade an den älteren Menschen, jetzt mit gutem Vorbild voran zu gehen. Denn die Kinder müssen gerade auch wegen ihnen zu Hause bleiben. Nicht umgekehrt.

Autor: Samuel Krähenbühl